
Schon 1977, parallel zur Entwicklung des Konzepts der Logischen Abstraktions-Prozesse2) wurde von uns das theoretische Leitkonzept der Logischen Abstraktions-Performance3) entwickelt und erste experimentelle Events durchgeführt:
Basis dieser visuell-akustischen Verknüpfungen der Logischen Abstraktionen mit Musik bzw. Klangbildern ist die sogenannte Gefühlssynästhesie oder Pseudosynästhesie, die kognitiv und emotional dramatisierte assoziative Verbindungen bzw. intermodale Analogiebildungen zwischen disparaten Sinnesreizen schafft - das gleichzeitige kontrollierte Produzieren bzw. Wahrnehmen mit unterschiedlichen Medien und Sinnen, so dass durch die Farb-, Form- und Ton-Klangbilder ein apperzipierender Mehrwert und eine erweiterte Betrachtungsweise auf das kreative Ausgangsmaterial - die Gemälde der Logischen Abstraktionen - entstehen.
Dieses Zusammenwirken ist weit mehr als die Summe der einzelnen Farb- bzw. Tonbestandteile, sondern es erscheint in den audiovisuellen Klangbildern gewissermaßen die unterschiedlich gewichtete Quersumme beider künstlerischen Manifestationen, die ihre Wirkung aus der Synchronizität ihrer jeweiligen Komponenten bezieht.
1) Wenn wir im folgenden von Logischen Abstraktionen bzw. Logischen Abstraktions-Prozessen sprechen, gilt dies immer auch für den Abstrakten Logismus bzw. die Abstrakten Logismusprozesse.
2) Als Ergänzung zum besseren Verständnis der Logischen Abstraktions-Performance ist es hilfreich, auch die Kurzfassung des Treatments LOGISCHE ABSTRAKTIONS-PROZESSE zu lesen.
3) Grundlage dieser experimentellen Arbeiten war das Psychophysiologische Musikwirkforschungsprogramm, das der Autor mit Unterstützung der Deutschen Grammophon in den siebziger Jahren durchgeführt hat.
Dabei reagieren die visuellen wie akustischen Klangbilder sehr empfindsam, gleichzeitig aber auch eindeutig sinnenhaft schon auf geringfügige Modifikationen nur einer ihrer Komponenten und erhalten schnell ungewöhnlich differente Werte von ganz eigener Qualität mit völlig neuen Erlebnisniveau.
Auf dem Hintergrund einer epistemischen Logik kommt dabei aber jeder Rezipient zu unterschiedlichen Analogien, da die multimodale Wahrnehmung durch ein interaktives metabolisches Zusammenspiel von kulturell erlerntem und fest verankerten Wissen und Erfahrungen sowie früh geprägten perzeptuellen Integrationsprinzipien gesteuert und beeinflusst wird. Die Interpretation ist deshalb nie frei von weltanschaulich oder kulturell geprägten Grundlagen und Plausibilisierungen.
Unsere Wahrnehmung ist also immer an unsere eigene geistige und emotionale Bedeutungsperspektive gebunden, die wir nicht verlassen können. Deren ästhetische Codierung der Harmonik, Melodik, Rhythmik und Dynamik uns aber durch die Logischen Abstraktions-Performance auf eine neue Art erfahrbar gemacht wird.
Die Extension und positiven Auswirkungen multimodaler Integration auf die Wahrnehmung von Farb-, Form- und Ton-Kompositionen erklärt sich auch dadurch, dass sich subadditiv, additiv oder superadditiv multisensorische Reaktionen qualitativ sehr von den modalspezifischen Reaktionskomponenten unterscheiden, da sie eine viel komplexere metakognitive und emotionale Informationsverarbeitung auslösen.
Durch die intermedialen Verbindungen und Synchronizität beider Sinnesreize werden die akustischen und visuellen Informationen als audiovisuelle Einheiten wahrgenommen und ermöglichen eine vollständige Immersion. Es kommt so zu einer wahrnehmungsintensivierenden Wirkung durch die multimodale Farb-, Form- und Ton-Integration und beeinflusst sehr nachhaltig die transzendentale Apperzeption.
Dadurch wird ein sogenanntes "added value" ausgelöst, ein Mehrwert in der Perzeption der audiovisuellen Kompositionen.
Gegenüber der klassischen Performance als ephemes Medium sind die audio-visuellen Narrationen unserer Logischen Abstraktions-Performance als künstlerisches Medium auf die Wiederholbarkeit ausgerichtet, da sie die codierten schöpferischen Prozesse dauerhaft dokumentieren und wiederholbar machen sollen.
Sie sind somit ein materiell greifbares Kunstwerk, ein unauflösbares Medium des schöpferischen Schaffensprozess und des wiederholbaren Austausch des damit geschaffenen kulturellen Wissens.
Seit jeher haben Künstler versucht, Malerei und Musik schöpferisch zu vertonen bzw. zu verbildlichen. Bei den vielen ungewöhnlichen und faszinierenden intermedialen Konzepten haben sich Maler und Musiker beispielsweise mit Musikgefühlsinhalten zur Gestaltung von Bildern bzw. in der Umkehrung durch Bilder zur Komposition von Musik anregen lassen.
Bei den visuell-akustischen Verknüpfungen der Logischen Abstraktions-Prozesse und der Logischen Abstraktions-Prozess-Musik haben wir ein anderes Konzept konstruiert.
Farbe, Form und Klang sind fundamentale und konstitutive Grundlagen unserer Kultur. Sie sind emotionales und kognitives Ausdrucksmittel unserer bewussten und unbewussten Existenz. Instinktiv sind sie im Unterbewusstsein mit individuell sehr unterschiedlichen vieldeutigen Wertungen verankert.
Mit den synchron ablaufenden Logischen Abstraktions-Prozessen und den vokalen und/oder instrumentalen und/oder elektronischen bzw. synthetischen Klangbildern der Logischen Abstraktions-Prozess-Musik wird ein multimodaler Zugang zu unseren elementaren und tiefgreifenden Erlebniswelten geschaffen.
Es wird damit die konstitutive Bedeutung der schöpferischen Kraft von Farben, Formen und Klängen für unser Leben vermittelt und schafft somit einen direkten Zugang zu neuen, wahrscheinlich bisher noch nie wahrgenommenen Erfahrungen und Erkenntnissen.
Die visuellen und akustischen "Klänge" der Logischen Abstraktions-Performance sind also, wie oben ausführlich dargestellt, das sinnliche und emotional erlebbare Bild der qualitativen Beziehung seiner formalen und inhaltlichen Komponenten untereinander.
Bestimmend für das strukturierte Arrangement der Farb-, Form- und Tonklänge der Logischen Abstraktions-Performance als Gegensatz zu ungeordneten, willkürlichen Geräuschen und chaotischer Farbigkeit, sind die assoziative Harmonie und der innere Gleichklang der künstlerischen metaphorischen Ausdrucksformen zueinander, der innere Zusammenhang der visuellen und akustischen Klangbestandteile, der die einzelnen Farben, Formen und Töne zusätzlich zur gemeinsamen Zeit- oder Räumlichkeit der Logischen Abstraktions-Prozesse und Logischen Abstraktions-Prozess-Musik nicht nur übergreifend verbindet, sondern auch miteinander verschmelzen lässt.
Mit der Oktave als allgemeingültiges Bindeglied werden die Farben der Töne berechnet. Ton- und Farbschwingungen werden mit der Oktavformel in einer mathematisch-harmonikalen Weise sinnvoll miteinander verbunden.
Oktavierung der Tonfrequenz und Umrechnung der Lichtfrequenz in die Wellenlänge der Farbe und die Zuordnung eines Tones zu einer Farbe erfolgt mathematisch. Bei einer Oktave werden die Frequenzen über verschiedene Schwingungsbereiche hinweg verdoppelt oder halbiert, um die Töne und Farben harmonikal miteinander zu verbinden.
Der Farbraum von Rot bis Violett umfasst dabei eine Oktave, wenn man die Wellenlängen in Schwingungsfrequenzen umrechnet.
Jede Tonfrequenz von ca. 20 bis 20.000 Hertz der Logischen Abstraktions-Prozess-Musik hat im Farbspektrum der Logischen Abstraktions-Prozesse eine oktavanaloge Farbfrequenz von ca. 380 bis 760 Bill. Hertz.
Die theoretisch unendlich vielen Farben der Logischen Abstraktions-Prozesse ergeben somit eine optisch gleichmäßig abgestufte Farbenreihe innerhalb der chromatischen Zwölftonleiter
und einem Zwölffarbenkreis
Daneben arbeiten wir auch mit der siebener Tonleiter und sieben darauf abgestimmten Farbtönen.
Analog der Tonleiter erfolgt auch eine definierte, gleichabständige Aufteilung des Farbraums. Das gleichabständige Farbtonsystem ist die Grundlage für alle definierten Bezugnahmen einzelner Töne untereinander. Dies hat aber nicht zur Folge, dass wir uns deshalb immer streng an die Tonleitern halten.
Die Zuordnungsskala von Tönen mit steigender Tonhöhe zu Farben mit steigender Helligkeit bzw. Reflektionsgrad lautet:
Mit den Farb-Form-Feldkompositionen und der Transformation des Logischen Abstraktions-Prozessverlaufs durch vier Permutation stages
werden die Einzelton-Parameter:
sowie die Musik Parameter:
für die Notation der Logischen Abstraktions-Prozess-Musik festgelegt.
Für die Ekphrasis und Übersetzung der Logischen Abstraktions-Prozesse in musikalische Parameter haben wir verschiedene Notations-Übersetzungscodes entwickelt.
Sie basieren dabei zum einen auf Formalisierungen herkömmlicher Kompositionsregeln - einfache Mehrstimmigkeit, Kontrapunkt, serielle Reihentechniken etc., gleichzeitig setzen wir aber auch mathematische Disziplinen wie die Chaostheorie oder das Zufallsprinzip zur Partitursynthese ein.
Die Autorin simuliert daneben auch bei einigen ihrer Farb- und Formkompositionen mit den Prinzipien der natürlichen, nicht zielgerichteten Evolution: Selektion, Crossover, Duplikation, Mutation und Rekombination komplexe evolutionäre Bildprozesse.
Diese Farb-Formgenerierungen der evolutionären Logischen Abstraktions-Prozesse bauen im Verlauf ihrer Entwicklung ein eigenständiges formgebendes Potenzial mit immer komplexeren Bildkompositionen auf. Der Evolutionsprozess wird dabei aber immer auch durch die Bewertungs- und Selektionskriterien der Künstlerin gesteuert, die somit die zentrale und übergreifende Rolle eines schöpferischen Über-Ichs erfüllt. Allein durch diese kreative Beeinflussung und Steuerung des Evolutionsverlauf sind die Logischen Abstraktions-Prozesse deshalb immer auch singuläre Kunstwerke.
Bei einem solchen evolutionären Kunstprozess streben die generativen Algorithmen der Logischen Abstraktions-Prozesse dann folgerichtig sehr komplexen biologischen Mechanismen wie Wachstum, Generationenfolge, Mutation, Anpassung und Intelligenz entgegen. Die sich dann zwangsläufig ebenso in der Partitursynthese der Logischen Abstraktionsmusik niederschlagen.
Bei allem noch so freien und offenen Farb-Form-Kompositionen oktroyieren wir der Logischen Abstraktions-Performance also immer eine präformierte, übergeordnete Struktur auf.
Henner H.J. Ertel, Ulrike Ertel, St. Gallen, den 2. April 2008