Hier wird in Kürze mein überarbeitetes Treatment von 1977 "Logische Abstraktions-Prozesse" Koautor H.J.H. Ertel vorgestellt.

Die Konzeption der "Logischen Abstraktions-Prozesse" wurde von mir 1977 entwickelt. Eine konkrete Umsetzung der Ideen lies sich damals nur als Konzept formulieren, da es die dafür notwendigen Computer und Multimedia-Technologie noch garnicht gab bzw. mir nicht zur Verfügung standen. Die konsequente Umsetzung ist nunmehr mit den heutigen leistungsfähigen PC´s und Multimedia-Techniken möglich.

Auszüge aus dem Treatment "Logische Abstraktions-Prozesse"

Die Ausgangssituation für die Logischen Abstraktions-Prozesse war für mich die in der Bildenden Kunst bisher nicht gelöste Fragestellung, wie können Bewegung, Zeit und Wandel, die im vierdimensionalen Raum-Zeitgefüge stattfinden, auf den zwei Dimensionen eines Bildes repräsentiert werden.

Bewegung ist nicht nur ein Ereignis im Raum, sondern auch in der Zeit. So ist räumliche Wahrnehmung immer auch ein Ereignis im Raum und in der Zeit. Der Raum entsteht also nicht nur durch zwei verschiedene Standpunkte, sondern auch durch die Gleichzeitigkeit zweier verschiedener Zeitpunkte.

Die konzeptionelle Erweiterung der Logischen Abstraktionen war das folgerichtige Ergebnis auf der Suche nach einem visuellen Vokabular, die vierdimensionale Bewegung in Raum und Zeit zweidimensional auf der Fläche darstellen zu können. Dies hat dann zur Entwicklung von computergesteuerten Raum- und Bewegungsbildern geführt. Mit ihnen wird die Orts- und Zeitgebundenheit in der Bildenden Kunst überwunden.

Aus einem Urbild entstehen durch Permutation der Farben, Flächenposition, Rotation und Spiegelung immer wieder neue Bilder. Die Bildfläche verwandelt sich ständig in ein Gebilde von Schichten oder Zonen, die variabel sind und sowohl einer physikalischen wie metaphysischen Logik folgen.

Durch die Wahrnehmung der nahezu unendlichen Veränderungen führen die Logischen Abstraktions-Prozesse uns, im Gegensatz zur Zeitgenössischen Kunst, nicht nur in neue Bildräume, sondern auch in neue Vorstellungen vom "Bild".

Sie vermitteln eine neue Wahrnehmung von Raum und Zeit. Und lösen beim Rezipienten sehr komplexe emotional-evaluative Prozesse aus.

Bei den Flächen- und Farbveränderungen werden dem Rezipienten psychologische Erkenntnisse bewusst, die weit über das normale Maß kognitiver und emotionaler Wahrnehmungsprozesse hinausgehen, die kosmologische Ausmaße haben.

Die Logischen Abstraktions-Prozesse stellen die beiden Dimensionen von Raum und Zeit dar, wie dies bisher noch nie in der Bildenden Kunst geschehen ist. Wie Einstein in der Physik zeigen sie, dass sich Raum und Zeit beeinflussen. Dass beispielsweise die Zeit in Abhängigkeit von unserer Position langsamer oder schneller vergehen kann.

Die Feldkombination und Farbkomposition haben bei den Permutationen untereinander sowohl eine Raum- wie Zeitbeziehung. Der Rezipient versucht, sowohl kognitiv wie emotional, bewusst und intuitiv diesen Logischen Abstraktions-Prozess zu erfassen und zu verstehen. Dabei arbeitet er wie Einstein an der Bezwingung des Problems "Zeit und Raum".

So werden die räumlichen Ausprägungen der Gleichzeitigkeit in einer bisher noch nie dargestellten Form dramatisiert, in dem Sinne, dass verschiedene Dinge am selben Ort gleichzeitig passieren und was daraus wird, dass die vierte Dimension also eine Raum- und nicht Zeitdimension ist.

Mit diesem komplexen Problem hat sich auch Picasso sehr intensiv beschäftigt, seine künstlerische Umsetzung der Fragestellung ist bekannt.

Wenn bei den Logischen Abstraktions-Prozessen deutlich wird, wie die Wahrnehmung des Bildes sehr komplexen mathematischen Gesetzen folgend mutiert, ist man versucht, diese Erfahrungen modellartig auf den Kosmos zu übertragen. Der Rezipient hat das intuitive Gefühl, dass auch der sogenannte natürliche Raum des Kosmos etwas durch die Wahrnehmungsbedingungen Veränderbares ist, dass die Beschleunigung der Permutationen das Raum-Zeitgefüge komprimieren und die Verlangsamung die Unendlichkeit des Raumes erzeugen kann.

Die Anzahl der Permutationen bei den Logischen Abstraktions-Prozessen steigt mit der Anzahl der einzelnen Bildmerkmale sehr rasch. So können allein bei einem Urbild mit jeweils 16 Feldern und Farben und einem Zeitfenster von nur einer Minute für jede gemeinsame neue Flächenkombination und Farbkomposition die Logischen Abstraktions-Prozesse abgerundet unvorstellbare:

10 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 Jahre laufen ...

Würden wir alle möglichen Feld- und Farb-Gestaltungselemente permutieren, so dass jedes Element mit einem anderen Gestaltungselement belegt wäre, ergäbe es so viele verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, dass die Anzahl aller aktuell vorhandenen Teilchen unseres Weltalls für die Darstellung der möglichen Anordnungen aufgebraucht werden müsste.

Ulrike Ertel, Koautor Henner J.H. Ertel, München, den 28. August 1977